Nach Durchführung der Beweisaufnahme und nach den Plädoyers erhalten die Angeklagten das sogenannte „letzte Wort“. In der Regel drücken die Angeklagten ihr Bedauern über die Tat aus, beteuern ihre Unschuld oder schließen sich den Worten der Verteidigung an.
Eigentlich war die Geschichte auf den ersten Blick banal, quasi Arbeitsalltag in unserer Essener Strafrechtskanzlei.
Eine Frau wurde bei der Einreise aus den Niederlanden in das Bundesgebiet durch den Zoll angehalten. Man fand 1 Kilo Marihuana im Kofferraum. Während sich die Dame in Polizeigewahrsam befand, durchsuchten Polizeikräfte ihre Wohnung und fanden dort noch 10 g Amphetamin.
Einfuhrschmuggel von Gras gehört zu unserem Berufsalltag. In diesen Fällen entscheidet in der Regel die Menge an Cannabis, die eingeführt wurde, über die Höhe der Strafe. Bei einer nicht vorbestraften Person ist hier eine Bewährungsstrafe für die vorbenannte Tat das Ziel und wird in die Tat durch den Verteidiger umgesetzt. Zwar wird die Einfuhr einer nicht geringen Mengen an weichen Drogen ab 7,5g THC mit einer Freiheitsstrafe von 2 – 15 Jahren bestraft, aber in der Regel wird das Gericht einen minder schweren Fall bei einem Kilo Marihuana annehmen und somit die Möglichkeit geben, dass man die Strafe nicht in Haft verbüßen muss.
Das setzt aber in der Regel voraus, dass sich der Angeklagte auch geständig in Bezug auf die Einfuhr im Rahmen der Verhandlung vor dem Schöffengericht oder Landgericht zeigt.
Wenn Mandanten jedoch eine Tat bestreiten – und wenn es noch so unsinnig erscheint -, dann streiten wir uns vor Gericht. Wir können Mandanten „nur“ beraten. In alle Richtungen. Aber im Ergebnis entscheidet der Mandant, welchen Weg er bestreiten möchte. Kein Mandant darf durch einen Anwalt zu einem Geständnis überredet werden. Es gibt immer eine Hand voll von Verfahren pro Jahr, in denen ich ein Prozessrisiko für die Mandanten im Falle einer streitigen Verhandlung wittere, aber dann eines besseren belehrt werde und der Mandant freigesprochen wird. Dies ist Grund genug, dass man die Entscheidung eines Mandanten respektiert, dass er es einfach nicht war.
So trug ich – im Auftrag meiner Mandantin – und nach eingehend rechtlicher Beratung im Hinblick auf die Prozessrisiken hin bei Gericht vor, dass meine Mandantin eine Freundin in Amsterdam besucht habe. Am Tag der Abreise habe sie ihren Hund im Auto gelassen und sei einkaufen gewesen sei. Sie schließe nie ihr Auto ab, wenn der Hund sich in diesem befinde. Völlig überrascht sei sie gewesen, als der Zoll sodann 1 Kilo bestes Haze in ihrem Kofferraum fand. Die Drogen im Wert von 4 – 6 Tausend Euro müssen folgelogisch dort reingelegt worden sein. Das Pep, das bei der Hausdurchsuchung aufgefunden wurde sei ein Schlankmacher.
Das Gesicht der Richters, als ich die Einlassung in der öffentlichen Verhandlung abgab, hätte ich gerne aufgenommen, aber habe es für mich ein Leben lang im Gedächtnis gespeichert. Der Richter kennt mich ja bereits seit einer Dekade und hatte sich wohl gedacht: „Spinnt der Anwalt jetzt völlig.“
Die Einlassung der Mandantin mag lebensfremd klingen, aber ein Anwalt muss für die Rechte des Mandanten kämpfen und somit wurden Zeugen vernommen, das Wirkstoffgutachten verlesen und ich plädierte, als wäre es mein letzter Schlussvortrag.
Nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und die der Verteidigung erhält der Angeklagte das letzte Wort. In der Regel lasse ich Mandanten hier sich meinen Worten anschließen oder – falls angebracht – ernsthafte Reue zeigen.
Das letzte Wort der Angeklagten: „Kriege ich mein Amphetamin wieder?“
Meine Mandantin nahm das letzte Wort für ein ihr offensichtlich sehr dringliches Bedürfnis zum Anlass.
Das Amtsgericht Kleve erwies Humor und verurteilte die Angeklagte zu einer maßvollen Bewährungsstrafe und um die Frage vorwegzunehmen: Das Amphetamin wurde eingezogen.
Es sind diese Geschichten, die den Alltag eines Strafverteidigers immer wieder mit Leben füllen, den Spaß an der Arbeit begründen und auch zeigen, dass die Justiz sicherlich nicht immer zum Lachen in den Keller geht.