Wenn Sie als erfahrener Strafverteidiger ein Verfahren übernehmen, dass den Handel mit Heroin im Kilobereich zum Gegenstand hat, ist der erste Gedanke, dass der Mandant realistisch betrachtet, da nicht unter 5 Jahren Freiheitsstrafe aus der Sache rauskommen wird. Wie sich später im Prozess herausstellen sollte, hatte die Kammer ursprünglich eine Strafe von 8 Jahren im Kopf. Das ist bei der hier gegenständlichen Menge an Heroin in NRW auch nicht übersetzt. Es kam aber alles anders.
Ein Drogenhändler aus den Niederlanden brachte mit einem eigenen Kurier, später weiteren Kurieren, das Heroin ins Ruhrgebiet. Meine Mandantin und weitere Fahrer verbrachten sodann das Heroin an den Endkunden. Meine Mandantin war für ihren Auftraggeber als Telefonistin und Kurierfahrerin in Deutschland tätig und erhielt für ihre Dienste Drogen oder Geld.
In der Regel wurden um die 200 – 300 g Heroin pro Fahrt aus den Niederlanden nach Dortmund verbracht. Die Schore wurde sodann zum Endabnehmer durch meine Mandantin gefahren.
Die Polizei hatte zu einem frühen Zeitpunkt eine Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme geschaltet und konnte somit die Einfuhr des Heroins und dessen Weiterleitung genau verfolgen und somit rekonstruieren, wie viel Heroin verkauft wurde. Die Beweislage war mehr als erdrückend und die Sache – leider – sehr gut durch die Ermittlungsbehörden ausermittelt.
Die Mandantin wurde in flagranti festgenommen und Untersuchungshaft angeordnet. Der Haftbefehl war schockierend und ein solcher, in dem man Mengen als Verteidiger zählt, die man auf Kilos und nicht Gramm runterbricht.
Ich erinnere mich noch genau, wie ich das Erstgespräch als Wahlverteidiger mit der Mandantin führte und diese mir klipp und klar im Besuchsraum der JVA erklärte, ich sollte sie so schnell wie möglich da rausholen, sie habe genug von dem Laden. Mit dem Laden wäre dann die JVA gemeint.
Stellen Sie sich mal vor, Sie sind Verteidiger und haben 4 Kilo Heroin auf dem Schirm und eine anspruchsvolle Mandantin, die aus der Haft will.
Wir beraten Mandanten an dieser Stelle immer sehr differenziert. Bei einer derartigen Sachlage können wir einfach nicht in Aussicht stellen, dass sie morgen wieder im eigenen Betts schlafen wird. In der Regel haben wir es mit Mandanten zu tun, die erwachsen sind, die teilweise auch in strafrechtlicher Hinsicht bereits Vorkenntnisse haben und denen wir Optionen im Verfahren bieten können.
Verteidigungsoptionen können sie dann Mandanten bieten, wenn sie das Endergebnis des Verfahrens zielgenau vor Augen haben, was einfach dem Umstand geschuldet ist, dass wir die Strafzumessungskriterien der Gerichte kennen und in den vergangenen Jahren mehr als 10.000 Verfahren verteidigt haben. Das sind Vergleichswerte und das betrifft nicht nur Ermittlungsverfahren oder Strafverfahren im Ruhrgebiet, sondern auch Verfahren in anderen Bundesländern, da wir dort regelmäßig verteidigen.
Mandanten können aber erst dann eine Entscheidung treffen, die richtig ist, wenn der Anwalt die Akte genau analysiert. Unsere Mandanten erhalten eine genaue Auswertung der Beweislage, so dass diese sodann entscheiden können, ob wir uns streiten oder – wie hier – zusehen, dass wir Land gewinnen. Wir beraten die Mandanten in alle Richtungen und zeigen mögliche Wege auf. Im Ergebnis entscheidet aber der Mandant den Weg, den er gehen möchte.
Nach Einsicht in die Akte und umfassender Beratung entschied sich die Mandantin, den gesamten Sachverhalt aufzuschlüsseln. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Mandantin selbst ein Drogenproblem hatte und sie letztendlich auch nur ein Rädchen eines sehr straff organisierten Drogenhandels – von den Niederlanden ausgehend – war. Sie hätte dieses Geschäft kaum bedient, wenn sie nicht selbst vom Heroin abhängig gewesen wäre.
Nach der umfassenden Aussage konnte ich meine Mandantin unter Auflagen der Untersuchungshaft verschont bekommen. Bereits das ist eine Leistung, bei mehreren Kilo Heroin jemanden aus der U-Haft zu holen.
Das ist aber alles nur ein Zwischenschritt, ein Arbeitserfolg, denn es folgt ja immer noch die Hauptverhandlung vor dem Landgericht. So far so good. Wenn man einen Mandanten mittels Haftprüfung aus der Untersuchungshaft holt, dann ist das immer wieder ein besonderes Gefühl. Ich bin kein Verteidiger, der sich mit Mandanten verbrüdert oder die nötige berufliche Distanz in einem Mandat verliert, zumal man mit Humor und Empathie immer Nähe schaffen kann, aber diese Mandantin habe ich in meinem Auto nach Hause gefahren. Ich habe sie aber zuvor aber nochmal eindringlich gefragt, ob sie BtM dabei habe. Wäre ja nicht fernliegend gewesen…
Auch wenn es nichts für schwache Nerven ist: Wenn ein Verfahren lange dauert, dann tut das dem Verfahren in der Regel gut. Zumindest wenn der Mandant in der Zwischenzeit keinen Mist baut. Auch das kommt vor, dann muss man das kitten und mit Engelsgeduld hinnehmen. Zumindest ist dann die neue Straftat während eines laufenden Verfahrens gesamtstrafenfähig, was auch einen bestimmten Charme hat.
Dies sollte nicht falsch verstanden werden. Als Frontsau in BtM – Verfahren und Kanzlei, die jede Aufgabe als eine Herausforderung ansieht und immer positiv dem manchmal Unmöglichen eine Lösung zuführt, die keiner nur im Ansatz erahnt hätte: Ich würde auch nicht jeden Morgen mit dem Gedanken aufwachen wollen, dass ich mal in Haft muss. Stellen Sie sich mal vor, was das für eine Belastung ist. Das zieht einen runter und umso wichtiger ist es, dass Sie den besten Strafverteidiger haben, der bereit ist, wie ein Löwe zu kämpfen. In stillen Stunden darf man aber – trotz einer guten Wahl – auch Angst haben und zweifeln. Ich verstehe auch gut, wenn Menschen einfach manchmal E – Mails schreiben oder Beratungstermine vereinbaren, die sich darum ranken, dass man beruhigt wird und Schutz sucht. Ich denke dann immer, dass ich nicht anders wäre. Es sind nicht rosarote Wolken, die Mandanten dann wünschen, sondern jemand, der ihnen zuhört, ihre Ängste ernst nimmt, sich Zeit nimmt, nicht auf die Uhr sieht und ihnen realistische Ziele aufzeigt.
Wenn Sie darüber nachdenken, dann wissen Sie was jetzt kommt, oder? Die arme Mandantin war sehr nervös und nach der Entlassung aus der Haft hat es sage und schreibe 2 Jahre gedauert, bis es zur Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund kam.
Man kann hier dem Gericht wirklich keinen Vorwurf machen, denn Gerichte sind in der Regel überlastet und müssen Haftsachen, also wenn Menschen in Untersuchungshaft sind, vorziehen, sprich: Diese Verhandlungen müssen binnen 6 Monaten nach Inhaftierung anverhandelt sein ohne dass es Stress mit dem OLG gibt.
Stress für das Gericht, weil ein Richter will natürlich zeitnah seine Verfahren verhandeln will. Stress für den Mandanten, weil der mit dem Verfahren lebt. Stress für den Strafverteidiger, weil die Mandantschaft auf heißen Kohlen sitzt.
Gute Neuigkeiten hierbei: Wenn es zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung kommt, dann kann sich das in Zahlen positiv auf eine zu verhängende Freiheitsstrafe auswirken. Das ist aber mehr ohne weniger Strafrecht auf dem Hochreck und eignet sich für eine juristische Diskussion mit dem Landgericht oder einer Revision zum Bundesgerichtshof.
Zur Vorbereitungen auf das Verfahren kam die Mandantin in meine Kanzlei. Übrigens samstags, weil diese sonst keine Zeit hatte. Manche Mandanten wundern sich, warum sie nach 22.00 Uhr eine E – Mail in ihrer Strafsache erhalten. Nicht, weil ich kein Privatleben habe Zeitmanagement ist das Thema und dass man seinen Beruf liebt.
Die Mandantin wollte ernsthaft eine Bewährung. 4 Kilo Heroin und eine Bewährung. Geht’s noch? Ich versichere Ihnen, dass ich das der Mandantin, nicht „versprochen“ habe oder auch nur Ansatzweise in Aussicht stellen konnte, dass wir dieses Ziel realisiert bekommen.
Ich habe meiner Mandantin gesagt, dass Sie eine Haftstrafe erhalten wird, die im offenen Vollzug zu verbüßen sei wird und später zu Gunsten einer Therapie nach § 35 BtMG zurückgestellt werden kann. Das war realistisch und fair und im Übrigen bei 4 Kilo Heroin doch mehr als cool.
2 Jahre auf Bewährung vor dem Landgericht Dortmund war dann das Ergebnis. Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Die Staatsanwaltschaft hatte selbst eine Bewährung im Prozess gefordert, was mich persönlich beeindruckt hatte. Nicht wegen des Antrages. Nicht weil es Bewährung, was da von Seiten der Staatsanwaltschaft gefordert wurde. Das wäre zu billig. Die Staatsanwältin hatte – wie ich es von der Behörde auch kenne – mir juristischen Argumenten und Empathie für den konkreten Angeklagten, einen Antrag gestellt, der mir gezeigt hat, dass dort nicht nur Juristen mit guten Noten eingestellt werden, sondern Persönlichkeiten. Hohe Qualität, guter Umgang mit den Verteidigern und objektive Beurteilung von Beweismitteln.